In der Buchhandlung Blankevoort, in der Nähe des Merwedepleins, in
der Otto, Annes Vater, das Tagebuch zu ihrem Geburtstag gekauft
hatten und die Anne in ihrem Tagebuch erwähnt, treffen wir auf Herrn
Jimmink, den heutigen Besitzer des Ladens. Er ist unbestritten ein
großer Experte der Geschichte Anne Franks und unermüdlich darin,
Interessent*Innen Antworten zu geben. Er ist sehr freundlich und auch
an unserem Projekt interessiert, was uns mit Stolz erfüllt.
Natürlich besuchen wir das Hinterhaus in der Prinsengracht. Die
Erfahrung ist für jede von uns einzigartig und überwältigend, nie zuvor
haben wir uns Anne so nahe gefühlt. Uns berührt der Rundgang,
manche haben Tränen in den Augen, wir alle sind still und in uns
gekehrt. Wir hören die Glocken der Westerkerk, die Anne so liebte und
können kaum begreifen, wie es an diesem Ort vor 80 Jahren war.
Am Abend sitzen wir zusammen, reden über Anne, über das, was wir
fühlen. Oft sind wir still.
Aber es ist schön, in dieser wunderbaren, lebensbejahenden und liberalen Stadt beieinander zu sein. Es
gibt nichts, was uns trennt.
Wir alle sind Lehrende und Lernende zugleich, wir hören einander zu,
stärken uns und kommen uns näher. Der Gemeinschaftssinn der
Projektgruppe ist besonders und beeindruckend.
Zurück in Halle treffen wir uns, um unsere Reise zu besprechen und
Pläne zu machen. Weil „Diskriminierung“ für viele der
Projektbeteiligten eine tägliche Erfahrung ist und viele Fragen dazu
offen sind, vereinbaren wir mit der Antidiskriminierungsstelle Sachsen-
Anhalt einen Termin für eine Informationsveranstaltung, in der sehr
lebendig und neugierig diskutiert wird.
Im September steht unsere Reise nach Berlin an. Wir sind mit dem
Anne-Frank-Zentrum verabredet. Die Ausstellung vertieft und ergänzt
unser Wissen über Anne Franks Leben und das Leben der Juden in
Deutschland. Unsere Teilnehmerinnen sind offen und interessiert wie
immer. Es gibt viele Fragen und Themen, denen wir uns in den nächsten Wochen zuwenden wollen.
Anne-Frank-Zentrum-Berlin
Anne-Frank-Zentrum-Berlin
Am Nachmittag reflektieren wir gemeinsam die Tage in Amsterdam und
Berlin. Die Frauen erzählen uns, wie sehr sie sich Anne verbunden fühlen, sie wollen mehr erfahren,
mehr lernen. Sie berichten, dass sie
in ihrer Familie, bei Freunden und in Schule und Arbeit von ihrem
Projekt berichten, wie stolz sie sind und wie groß das Interesse ihres
Umfeldes ist.
„Ich hatte vorher kein Interesse an der Geschichte des Judentums, eher
Vorurteile. Jetzt weiß ich wieder, dass Menschen Menschen sind. Ich
habe Anne als Mensch gesehen…“ sagt uns eine Projektteilnehmerin
aus Tunesien. „Die Ausstellung in Berlin ist schön und wichtig, es war
gut, das wir da waren. Ich wünschte, so eine Ausstellung gäbe es auch
über unsere Geschichte.“ ergänzt Fatima aus Syrien.
Wir verbringen die nächsten Wochen damit, Referate zu erstellen, die
unsere Teilnehmerinnen in Schulen und sozialen Einrichtungen halten
wollen. Sie wollen reden. Über ihr Projekt, über Nähe und Akzeptanz,
über Freundschaft, die Hürden überwindet und nicht zuletzt über Anne
und Ilse, die weiterleben sollen nach ihrem Tod.
Wir sind noch auf Reisen. Wir wollen weiter arbeiten, mehr von Anne,
mehr von der Vergangenheit wissen. Wir werden davon berichten.
Wir danken unseren Unterstützern, der Postcode Lotterie, der Stiftung
Amadeu Antonio, dem Land Sachsen-Anhalt, vielen Dank an das Anne-
Frank-Haus in Amsterdam, das Anne-Frank-Zentrum in Berlin, die
Antidiskriminierungsstelle in Halle (Saale), an Juliane Bischoff von
unserem Kooperationspartner Zeitgeschichte(n) e.V., an die vielen
freundlichen Menschen, die uns begegneten und ganz besonders an
Karen Leonhardt von der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V., die uns dabei half, den
Projektantrag zu stellen und unsere Ideen zu verwirklichen.